Fallstudien
Die Stadt Bebra weist eine langjährige Migrationserfahrung auf, die historisch auf die Tradition Bebras als Bahnknotenpunkt zurückgeht. Im Blick ist für das Projekt vor allem das sich wandelnde Quartier „Göttinger Bogen“, eine Zeilenbausiedlung der 1950er/60er Jahre mit traditionell hohem Anteil von MigrantInnen. Bebra hat ein insgesamt neubürgerfreundliches Image und aufgeschlossene Akteure in Politik und Verwaltung. Es sind etablierte und engagierte Kulturvereine vorhanden – Türkisch-islamischer Kultur-verein e.V. und syrisch-aramäische, orthodoxe Kirchengemeinde e.V. – die einen signifikanten Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund vertreten. Hier werden die spezifischen institutionellen Bedingungen und Netzwerke einer Kleinstadt untersucht, die Emergenz von Konflikten in einer Kleinstadt sowie institutionelle Reaktionen darauf. Der erste Teil des Projekts beantwortet die Frage, welche institutionellen Arrangements sich bewährt haben und welche Schwachstellen zu identifizieren sind, für die wiederum neue Ansätze konzipiert und umgesetzt werden.
Leipzig repräsentiert eine über lange Zeit von Schrumpfung betroffene, seit 2010 wieder dynamisch wachsende ostdeutsche Großstadt mit einem wachsenden Anteil migrantischer Bevölkerung. Im Projekt soll der Schwerpunkt auf dem Stadtteil Schönefeld liegen, einem Quartier, welches durch Abwanderung, Alterung, Leerstand in den 1990er Jahren gekennzeichnet war und sich nunmehr stabilisiert, nicht zuletzt durch die Zuwanderung von Haushalten mit Migrationshintergrund. Schönefeld erlebte einen exemplarischen Konflikt um die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im Jahr 2014: Durch die Unterbringung von Flüchtlingen (in einer leeren Schule) entstand eine akute Problemsituation, welche eine Fülle neuer Akteure (Initiativen, Vereine, Netzwerke) hervorbrachte (z.B. „Leipzig steht auf“ gegen die Unterbringung und „Leipzig nimmt Platz“ dafür). Schönefeld als Quartier ist insgesamt mehr in den Fokus der Stadtpolitik gerückt, auch im Hinblick auf Inklusion und Integration. Es besteht großes Kooperationsinteresse der Praxispartner an gemeinsamen Projekten.
Gelsenkirchen repräsentiert eine postindustrielle Stadt im Ruhrgebiet. Die lange Zeit schrumpfende Stadt wuchs im letzten Jahr temporär insbesondere durch Asylbewerber sowie durch EU-Ausländer aus Osteuropa. Für das Projekt soll der Fokus auf dem besonders von Zuwanderung betroffenen Stadtbezirk Gelsenkirchen Süd liegen, wo die Arbeitslosigkeit bei rund 28% liegt, darunter eine hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen. Hieraus entwickeln sich neue Konfliktpotentiale. Als Akteure stehen neben der Verwaltung kirchliche Träger, Arbeiterwohlfahrt (AWO), Nachbarschaftsvereine und organisierte Migrantenvereine im Vordergrund. Unter der Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände bestehen zum Teil Stadtteilbüros, Quartiers- und Stadtteilläden.
Seit Mai 2018 wird zudem durch die Fachhochschule Erfurt die Partnerstudie „Konflikte im Ehrenamt als Potenzial für demokratische Lernprozesse“ in der sächsischen Mittelstadt Bautzen durchgeführt.